Mit ein bisschen Sturheit

Mit ein bisschen Sturheit

Kleine Anmerkung:
Zwar erzähle ich gern in der Ich-Form. Meine Geschichten sind deshalb aber nicht biografisch zu verstehen.

Mit ein bisschen Sturheit
© Gisela Baltes

Das war so recht ein Nachmittag, wie HUND ihn liebte. Er lag auf der Terrasse und döste in der Sonne. FRAU und MANN saßen in der Nähe und unterhielten sich. Ein paar den Fliegen flogen HUND um die Nase herum. Aber er war viel zu träge, um nach ihnen zu schnappen.

Plötzlich fuhr er hoch. So laut wurde FRAU sonst nur, wenn er etwas ausgefressen hatte. Beschwichtigend wedelte er mit dem Schwanz. Aber FRAU beachtete ihn gar nicht.

Gerade wollte er sich unschlüssig wieder hinlegen, da ließ ihn die Stimme von MANN erneut zusammenfahren. Wiederum ein beschwichtigendes Wedeln, das nicht beachtet wurde. FRAU stieß ihren Stuhl zurück und lief ins Haus. MANN folgte ihr. Nun hörte er ihre lauten Stimmen von drinnen.

Da die ganze Aufregung offenbar nicht ihm galt, legte HUND sich wieder hin, hielt aber den Kopf aufmerksam hoch. Endlich wurde es im Haus wieder still. Er legte sich beruhigt auf die Seite und schlief weiter.

Schließlich fand er, daß es Zeit für seinen Abendspaziergang war. Er ging ins Haus. Mal sehen, wer sich heute bereit fand. FRAU ging abends immer mit ihm um den Block. Aber er hatte es lieber, wenn MANN auch noch mit ging. Dann nahmen sie immer den Weg runter zum Fluß. Ein Bad wäre heute wirklich nicht schlecht.

MANN saß im Wohnzimmer und schien nichts Wichtiges zu tun. Aufmunternd stupste HUND ihn mit der Schnauze an. Aber MANN reagierte heute überhaupt nicht. Na ja, einen Versuch war es immerhin wert gewesen.

FRAU saß am Küchentisch, ohne aber wie üblich mit irgendwelchen köstlich riechenden Dingen zu hantieren. Auf sein vorsichtiges Stupsen hin kniete sie sich zu ihm auf den Boden, legte ihre Arme um seinen Hals und ihr Gesicht an seinen Kopf. Das war nicht gerade das, was HUND beabsichtigt hatte. Aber gutmütig hielt er still. Dann erinnerte ihn ein nasses Gefühl am Hals wieder an das verlockende Bad im Fluß.

Vorsichtig zog HUND seinen Kopf aus ihren Armen, ging ein bißchen auf Abstand und wedelte aufmunternd mit dem Schwanz. Aber FRAU blieb einfach hocken. Deshalb bekräftigte er seine Aufforderung durch energisches Bellen.

Na endlich!
FRAU stand auf.
Und auch MANN stand plötzlich im Türrahmen.
"Ist was?" fragte MANN.
"Nein, er will nur raus." sagte FRAU.

FRAU leinte HUND an und wandte sich zum Gehen. Aber MANN machte keine Anstalten mitzugehen. Nun konnte bloß Sturheit helfen. HUND stemmte die Beine in den Boden und rührte sich nicht vom Fleck. FRAU zog ungeduldig an der Leine. Aber er ließ sich nicht beirren.

MANN zögerte. Dann lachte er:
"Na gut, du hast gewonnen, du eigensinniger Hund! Ich komme mit."
Da lachte FRAU auch.

Und HUND wußte, das würde ein besonders schöner und langer Spaziergang werden.