Hoffentlich nichts Ernstes

Hoffentlich nichts Ernstes

Vorbemerkung
Anspiele sind kurze Szenen, in denen leicht verständliche Alltagssituationen wiedergegeben werden, die zum Nachdenken oder zum Gespräch in Gruppen anregen können.

Hoffentlich nichts Ernstes

© Gisela Baltes

Telefongespräch zwischen zwei Frauen

Ursula: Tag Marga. Hier ist Ursula.

Marga: Ursula?

Ursula: O je, wie viele Ursulas kennst du?

Marga: Mindestens fünf. Aber jetzt hab ich deine Stimme erkannt. Ulla!

Ursula: Jawohl. Du gute alte Ulla. Sag mal, was ist denn mit deinem Telefon los? Das ist ja dauernd besetzt!

Marga: O ja, das ist wirklich ein Kreuz. Ich hab schon zu meinem Mann gesagt. Wir brauchen unbedingt eine zweite Leitung. Immer wenn ich telefonieren will, blockieren die Kinder das Telefon.

Ursula: Wie alt sind die jetzt eigentlich?

Marga: 16 und 18.

Ursula: Dann bist du ja aus dem Gröbsten längst raus. Arbeitest du wieder?

Marga: Ja, wieder an meiner alten Schule, mit halber Stundenzahl. Aber ich hab mir schon überlegt, wieder auf volle Stundenzahl zu gehen. Wir könnten das Geld gut brauchen.

Ursula: Ich rufe an, weil ich dachte, wir könnten uns mal wieder treffen und so richtig schön klönen wie in alten Zeiten. Das haben wir ewig nicht gemacht.

Marga: Du hast recht. Aber weißt du, trotz halber Stundenzahl, bin ich ziemlich im Druck. Ich hab noch einen Stapel Aufsätze liegen, und jede Menge Bügelwäsche. Und dann hab ich in der Kirche ein paar Pöstchen, die ihre Zeit brauchen.

Ursula: Ach komm, einen Nachmittag wirst du dir doch mal frei nehmen können. Wenn du so im Stress bist, wird dir das auch gut tun. Wo ein Wille - da ein Weg.

Marga: Na gut, ich guck mal in meinen Terminkalender. Also diese Woche geht da gar nichts mehr. Vielleicht nächste Woche Donnerstag. Da lag nämlich eigentlich eine Stufenkonferenz. Die haben wir verschieben müssen. Allerdings hätte ich da nur zwischen 14 und 16 Uhr Zeit. Um 17 Uhr haben wir nämlich Dekanatsrunde von der kfd.

Ursula: Ach nee, lass uns lieber einen Termin suchen, wo du ein bisschen mehr Luft hast.

Marga: Vielleicht den Donnerstag drauf. Weißt Du: Donnerstag ist immer mein Hausfrauentag. Wo ich alles aufarbeite, was in der Woche so anfällt. Allerdings kommt fast immer was dazwischen. Na ja, irgendwie krieg ich meine Kram dann schon zwischendurch geregelt.

Ursula: Also ausgerechnet an diesem Donnerstag geht es bei mir nicht. Wie wär’s mit dem Freitag?

Marga: Da hab ich Zeugniskonferenz und am Spätnachmittag meinen wöchentlichen Firmunterricht.

Ursula: Und am Abend?

Marga: PGR-Sitzung.

Ursula: Samstag?

Marga: Sind wir eingeladen.

Ursula: Sonntag?

Marga: Nein, das kann ich meinem Mann nicht antun. Das ist der einzige Tag, wo wir mal ein bisschen füreinander Zeit haben.

Ursula: Montag?

Marga: Nachmittags Stufenkonferenz. Abends Liturgiekreis.

Ursula: Dienstag?

Marga: Nachmittags Frauengesprächskreis. Abends Kirchenchor. Und in den Tagen danach sieht es ähnlich aus. Weißt du was, Ursula, lass uns ein andermal weiter telefonieren. Wir finden dann bestimmt auch einen Termin. Aber jetzt muss ich mich leider sputen. Ich hab meiner Mutter versprochen, dass ich heute mit ihr einen neuen Mantel kaufen gehe. Hoffentlich braucht die nicht so endlos lange dazu. Um 16 Uhr hab ich nämlich noch einen Arzttermin. Irgendwie wird mir in letzter Zeit so oft schwindelig. Hoffentlich ist das nichts Ernstes!
 

Burn-Out, ausgebrannt sein, - das galt bisher eher als typische Erscheinung bei Männern, allenfalls bei Frauen in Führungspositionen. Mehr und mehr wächst aber das Bewusstsein dafür, dass dies eine Gefahr ist, die allen anderen Frauen ebenso droht. Hausfrauen, Mütter, Witwen, alleinlebende, verheiratete, geschiedene Frauen - sie alle erliegen allzu leicht der Gefahr, sich in krankmachenden Stress und kräftezehrende Hetze hineinziehen zu lassen.

Haushalt, Beruf, Kindererziehung, Zeit für den Partner, vielleicht gar noch ein Ehrenamt - alles wird „irgendwie“ bewältigt. Die Folgen sind Kopfschmerzen, Reizbarkeit, körperliche und seelische Erschöpfung bis zu Depressionen.

Viele Frauen glauben tatsächlich, dass sie alles in den Griff bekommen, wenn sie noch besser werden, sich noch mehr anstrengen, noch mehr zusammennehmen, wenn sie härter arbeiten, oder einfach nur die nächste Woche, den nächsten Monat, das nächste Jahr durchstehen. Als würde dann alles mit einem Zauberschlag anders.

Es ist wichtig, früh genug die Anzeichen zu erkennen, die Botschaften des Körpers und der Psyche richtig zu deuten, die eigenen Grenzen anzuerkennen und den endlosen Teufelskreis aus Anspannung und Erschöpfung zu durchbrechen.