Zeiten
Es gibt Zeiten,
da bin ich vor Freude ganz leicht.
Dann hält mich nichts mehr im Haus.
Dann hüpfe, dann springe,
dann tanze ich
die hundert Wege der Sonne.
Dann singe ich hundert Lieder.
Dann lache ich hundert Leuten
den Trübsinn aus ihrem Faltengesicht.
Es gibt Zeiten,
da bin vor Unrast ganz krank.
Dann treibt es mich ziellos hinaus.
Dann gehe ich hundertmal
den Weg verzweifelter Hoffnung,
den Weg verdrängter Gedanken,
den Weg vermessener Wünsche,
den Weg nie endender Suche,
den Weg - wohin?
Es gibt Zeiten,
da bin ich vor Ohnmacht ganz starr.
Dann führt kein Weg mehr hinaus.
Dann fühl' ich mich hilflos gefangen
in den Mauern meiner Gewohnheiten,
in den Gittern der täglichen Pflichten,
in dunklen Kammern heimlicher Ängste,
im Netz meiner Wünsche und Träume,
im Gespinst meiner Gefühle
und Sehnsüchte.
Verwunschen, verzaubert, verbannt.
Wer kennt das Losungswort?
Wer bricht den Zauber?
Wer löst den Bann?
Es gibt Zeiten,
da spüre ich Kraft und Geduld.
Dann gibt mir Ruhe ein neues Zuhaus.
Dann bin ich stark und bereit.
Ich sehe. Ich höre.
Ich schweige. Ich warte.
Kennt einer das Ziel?
Weiß einer den Weg?
Sagt einer das Wort?
Ich warte,
warte voll Zuversicht
gestern und heute,
heute und morgen,
immer und noch einen Tag.
© Gisela Baltes