Gespräch unter Freunden
Gestern vor dem Schlafengehen
wusch ich mir meine Allzeit-Bereit-Pfadfinder-Miene
vom Gesicht,
bürstete mein Ich-Mag-Euch-Doch-Alle-Lächeln
von den Zähnen und
die Ich-Mach-Mir-Um-Alles-Mögliche-Sorgen-Falten
glättete ich mit Nachtcreme.
Da entdeckte ich plötzlich und völlig unerwartet
MICH.
Erst sah ich nur ganz verstohlen hin.
Dann wurde ich mutiger, lächelte mich grüßend an,
blinzelte mir vertraulich zu und begann zu reden.
Ich hatte mir soviel zu erzählen:
Wichtiges und Belangloses, Fröhliches und Trauriges,
Neues und Bekanntes, Geheimes und Allgemeines.
Endlich hatte ich jemanden,
der sich geduldig für mich Zeit nahm,
der mir aufmerksam und verständnisvoll zuhörte,
der meine Sorgen ernst nahm,
vor dem ich meine Probleme nicht verstecken musste.
Endlich konnte ich mir mal alles von der Seele reden,
was ich sonst niemandem sagen mochte.
Wir redeten lange, bis in die Nacht hinein.
Dann verabschiedeten wir uns als gute Freunde
und verabredeten, uns bald wieder zu treffen.
© Gisela Baltes